Irgendwie war nach den Strapazen die Nacht ein bisschen zu kurz. Dennoch rappelten Rainer und ich uns um 7.00 Uhr auf, fingen an zu packen, zu kruscheln und saßen um 8.00 Uhr bei einem wahrhaft feudalen Frühstück. So lummelig auch das Zimmer war, so üppig war die Speisenauswahl mit Fleischspießchen, Marmelade, Brötchen usw.
Am Nebentisch saß ein Wanderer, der sich eine Deutschlandlängsdurchquerung vorgenommen hatte. Rainer fing an, mit ihm zu quatschen und hörte einfach nicht mehr auf zu reden. Am frühen Morgen, vor dem ersten richtigen Kaffee reagiere ich mürrisch auf eine so gewaltige Verbalflut, zumal die Zeit verstrich, ich fast mit dem Frühstück fertig war und Rainer noch seinen Handschuh stopfen wollte.
Gegen 09.30 kamen wir endlich los, suchten den kürzesten Weg zurück zum Track und landeten schnell wieder auf den sandigen Heidepisten.
Das Wetter sah schwer bescheiden aus, es regnete aber nicht.
Die Gegend war insgesamt sehr flach und wir rollten gemächlich dahin. Ich verstand die Welt nicht mehr, als nach 2 h Bummeltour Rainer von seinem Rad stieg und „Happa Happa“ schrie. Ich hatte mein Frühstück noch nicht mal anverdaut und hatte weiterhin Probleme an den Lenker zu greifen, weil der Bauch spannte und das dürre Elend hatte Hunger und musste unbedingt Unmengen an Essen in sich hineinschaufeln.
Vor 20 Jahren war genau hier der Grenzverlauf, rechts von uns im Wald konnte man noch Gräben erkennen.
Irgendwie surreal.
Wir trafen nach einem Landstraßenstück Albert wieder, der elendig viel Zeit auf einem Brennesseltrampelpfad gelassen hatte, den wir als Fehler im Track interpretiert hatten und gar nicht erst zu folgen versucht hatten.
In einer kleinen hübschen Ortschaft machten wir dann Mittagsrast, keine 4h nach unserem opulenten Frühstück und keine 2h nach Rainers zweitem Frühstück. Ich schlachtete meine Büchsenwurst, die ich nun weit genug durch die Wallachei geschleppt hatte. Albert, der zwischendrin mal in einem Cafe saß, fuhr wieder bei uns vorbei.
Wir fuhren weiter, nachdem Rainer sich den Pürzel verarztet hatte und folgten kilometerlang dem alten Kolonnenweg.
Zwischendrin führte uns der Track genau in einen Tagebau hinein, die Spuren im Sand zeigten uns aber, dass auch die Anderen sich nicht durch das Betriebsgelände geschlagen hatten.
Hier sind wir in einem Grenzdorf, indem alte Mauerteile erhalten werden, um die Dimensionen des Grenzverlaufs zu vermitteln. Es ist weiterhin schwer vorstellbar, dass die gesamte Strecke so abgesichert war, dass eine Überquerung nahezu unmöglich wurde und oft auch tödlich verlief.
Die Strecke wurde insgesamt etwas welliger, Rainer tat sich an den Anstiegen etwas schwer und ging viel; ich versuchte zu fahren, da meine MTB-Schuhe beim Laufen dazu neigen, gehörig zu drücken.
Gegen Abend schnorrte sich Rainer in einer kleinen Ortschaft etwas Wasser und wir folgten einem Plattenweg 15km leicht bergab und mit Rückenwind. Jede Platte war ca. einen halben Meter breit und jede Kante schlug ins Vorder- und danach ins Hinterrad.
Auch das ging vorbei und der Grenzverlauf zeigte sich am Fuße des Harzes von seiner steilen Seite:
In Viernburg bezogen wir ein edles Hotel, welches von einer großen Variante von Kapitän Ahab bewirtet wurde. Knapp 2m groß, 110 kg schwer, leichter Silberblick und einen Fuß in Gips zog er umher. Wir aßen aber gut zu Abend, und freuten uns auf die morgige Etappe, die uns über den Brocken führen sollte.
Zurückgelegt hatten wir an dem Tag 170km in knapp 8h 20min reiner Fahrzeit. Weiterhin hatte Rainer gewaltige Problem mit seinem Sitzfleisch, während mir nur leicht die Hände eingepennt waren.
Grüße
W.
plattenwege sind neben waschbrettpisten so ziemlich das nervtötendste was man mit dem rad befahren kann.
… und dem wunden bürzel sehr förderlich 😉
Immer noch: aufregend, das mitzuverfolgen, und eure Eindrücke & Gedanken zur Strecke, die vor 20 Jahren noch so ganz anders aussah — wie´n böser Spuk…
Und schöne Fotos!
Grüße –
Vita
Danke für die Kommentare.
Meine Frau meint, Rainer käme in diesem Bericht schlecht weg. Deswegen möchte ich betonen, dass ich sehr gerne mit Rainer gefahren bin. Es hat mir richtig Spaß gemacht, mit ihm gemeinsam diese Strecke zu bewältigen und ich bin mir sicher, dass es mit anderen ungemein schwieriger geworden wäre, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Grüße
W.
Spannend und fesselnd zu lesen, freu mich auf die Fortsetzung 😉