Podiumsdiskussion: Doping in Sport und Alltag

Gestern fand in Lauda-Königshofen eine Podiumsdiskussion zum Thema „Doping in Sport und Alltag“ statt. Die Teilnehmerliste versprach einen interessanten Abend mit Einblicken in die Dopingpraktiken des Radsports (Ex-Radprofi Järmann) und einem Vortrag zu diesem Themenbereich durch Herrn Prof. Dr. Treutlein, dem Leiter des Heidelberger Zentrums für Dopingprävention.

Auf dem Bild Bürgermeister Maertens: Laut Brecht fange großer Sport da an, wo er aufhöre gesund zu sein.

Nach einleitenden Worten durch Herrn Götzelmann und Bürgermeister Maertens sowie eines Herrens, der irgendwie vergessen hatte, sich vorzustellen, begann der atemlose Vortrag von Prof. Dr. Treutlein. Dieser tauchte unmittelbar in die Materie ein und zeigte die Dopingproblematik im Spitzensport auf. Der Athlet als einzelner Sündenbock verschleiere, so Herr Treutlein, die Systematik des Dopings im Spitzensport.

Die Dopingmentalität ist die Bereitschaft, seine natürliche Grenzen mit Hilfe von Mitteln zu verändern, mehr aus sich rauszuholen, als normalerweise möglich wären. Der Referent sieht das in der allgemeinen Entwicklung des Leistungs- und Spitzensport sowie der Gesellschaft begründet. (Gemeint ist an dieser Stelle die Leistungsgesellschaft) Allgemein scheint es so zu sein, dass je früher eine Sportart professionalisiert wurde, desto wahrscheinlicher ist Doping.

Bild: Herr Prof. Dr. Treutlein

Herr Prof. Dr. Treutlein unterscheidet zwischen Doping (der Leistungssteigerung im Sport – vorwiegend im Leistungssport) und dem Medikamentenmissbrauch (vorwiegend im Hobby- und Alltagsbereich). Ziel einer sinnvollen Prävention müsse es sein, ein leibverantwortliches sinnvolles Sporttreiben sowie einen mündigen Athleten zu schaffen. Nur so sei es möglich, den Leistungssport sauberer zu bekommen.

Herr Prof. Dr. Treutlein garnierte seine Ausführungen mit vielen Anekdoten und Geschichtchen aus dem Lebensbereich des Leistungssports, so dass seine Ausführungen zur Alltagsproblematik des Dopings bzw. Medikamentenmissbrauch sich auf ein paar Schaubilder bezogen, die die Bereitschaft von Schülern verdeutlichen sollten, sich mit Hilfe von Medikamenten zu besseren Leistungen zu bringen. Meines Erachtens waren die Schaubilder aber hinsichtlich ihrer allgemeinen Repräsentativität strittig: Für ein Schaubild wurden ca. 250 Schüler befragt, für ein anderes nur 25 Schüler, die Teilnehmer an einem Kaderlehrgang waren. Der Referent hechelte atemlos durch die interessante Alltagsproblematik, so dass dieser Themenbereich viel zu kurz kam.

Nach einer kurzen Pause begann die Podiumsdiskussion.

Bild von links nach rechts: Dr. Dotzel, Dr. Schmid, Järmann, Dr. Hoch, Prof. Dr. Treutlein

Der Diskussionsleiter verstand es geschickt durch seine Fragen die Diskussion in Gang zu bekommen. Der Ex-Radprofi Järmann erklärte ausführlich, wie er als Leistungssportler zum Epodoping kam. Irgendwann sei das Epodoping so weit fortgeschritten gewesen, dass er zum Gewinnen dopen musste. Letztendlich würde er ja Wettkämpfe bestreiten, um sie zu gewinnen. Nebenwirkungen des Dopings habe er dabei aber keine verspürt. Auf die Frage hin, was er denn Jugendlichen mitgeben würde, damit sie nicht dopen, sagte er, dass einem Jugendlichen klar sein sollte, dass wenn er um Profi zu werden, dopen müsse, er niemals die Spitze erreichen werde. Wer es ohne Doping nicht mindestens zum Profisportler schaffe, werde nie auf den vorderen Plätzen landen. Die Karriere sei somit schon von Beginn an zum Scheitern verurteilt.

Herr Dr. Schmid propagiert den sauberen Leistungssport. Kinder und Jugendliche müssen „stark“ gemacht werden, um den Verlockungen des Dopings zu widerstehen. Seine Aussagen verursachten den meisten inneren Widerstand in mir; trotz aller schönen Worte, konnte er nicht begreiflich machen, wie man Kinder und Jugendliche später vor der Dopingfalle im professionalisierten Sport schützen könne, da eine Verweigerung leistungsstärkender Mittel voraussichtlich die Zweitklassigkeit für talentierte Jungsportler bedeutet. Herr Schmid widersprach Herrn Järmann sehr heftig, als dieser an die Eigenverantwortung der Jugendlichen appellierte. Jugendliche seien nicht zu solchen Entscheidungen fähig. Wobei aus späteren Bemerkungen hervorging, dass er nicht die Entscheidungsfähigkeit in Frage stellte, sondern sich auf das Abwägen der Konsequenzen bezog.

Dr. Franz Hoch bemängelte die Werbung als Förderer der allgemeinen Dopingmentalität. Wenn die Werbung „Flügelwachstum“ anpreise, so brauche man sich nicht zu wundern, dass Jugendliche gerne zu solchen Mitteln greifen und somit auch später schneller den Verlockungen des Dopings erliegen würden.

Im Großen und Ganzen drehte sich die Diskussion aber nur um die Dopingproblematik im Spitzensport. Der Alltagsbereich wurde von den Teilnehmern wenig beachtet und wenn darauf hingewiesen wurde, so wurde schnell auch wieder thematisch in den Spitzensport gesprungen. Herr Dr. Schmid bemängelte zurecht Herrn Järmanns Darstellung als dopingfördernd. Es konnten aber auch von ihm keine stichhaltigen Argumente dagegen herausgestellt werden.

Meiner Meinung nach wurde der argumentativ sinnvolle Ansatz von Herrn Järmann leider nicht weiter verfolgt: Wer vor seiner Professionalsierung dopen muss, wird im Hochleistungssport nie mithalten können. Dieses Argument lässt sich auch auf den Alltag übertragen: Wer ohne Tabletten nicht durch seine Schulprüfung kommt, muss sich später nicht wundern, wenn seine Leistungen für den späteren Beruf nicht ausreichen. Es zeigt sich doch schon am Beispiel Rauchen, dass eine Förderung des Gesundheitsbewusstseins argumentativ nicht ausreicht. Jedem Menschen ist die Gesundheitsschädlichkeit der Zigaretten bekannt, dennoch wird geraucht. Genauso wird es sich bei der Leistungsförderung verhalten. Der „mündige“ jugendliche Athlet oder Schüler muss argumentativ anders darauf vorbereitet werden, den Verlockungen des Dopings zu widerstehen.

Es konnte an dem Abend kein Rezept gezeigt werden, wie man der Dopingfalle entkommen kann. Es ist desillusionierend zu sehen, dass ein sauberer Sportler wie Herr Dr. Schmid argumentativ nicht gegen die unsauberen Mitteln eines Herrn Järmanns ankommt. Die Alltagsproblematik außerhalb des Sportes wurde kaum betrachtet, was hinsichtlich des Ortes der Veranstaltung in der Aula eines Gymnasiums sehr traurig ist. Vielleicht lag es an der Zusammensetzung der Teilnehmer, die natürlich nur aus ihrer sportlichen Sicht heraus das Problem angehen konnten.

Rein qualitativ betrachtet war der Vortrag von Herrn Prof. Dr. Treutlein leider zu sprunghaft und zu fahrig. Die sachliche Darstellung außerhalb zahlreicher Anekdötchen wäre meiner Meinung nach informativer und aussagekräftiger gewesen als die Tatsache, dass der damals 21-jährige Treutlein nicht wusste, dass man ein Zäpflein nicht schlucke.

Eine sinnvolle und ausreichende Begegnung des Dopings scheint nur die Abschaffung des professionalisierten Leistungssports zu sein. Somit könnte man wenigstens den einen Kopf der Hydra abschlagen. Den strukturellen Schwächen unserer Leistungsgesellschaft hingegen kann man kaum begegnen. Versagensängste diktieren das Handeln vieler Menschen und somit ist dem Medikamentenmissbrauch im Alltag Tür und Tor geöffnet.

Grüße

W.

4 Gedanken zu “Podiumsdiskussion: Doping in Sport und Alltag

  1. wir alle wissen doch, was von aufputschmitteln jeglicher art zu halten ist.
    und wenn deine mom diesselben auch zu sich nimmt, wird sie vielleicht auch irgendwann aus der bebilderten welt der trigonometrie in die sphären der omnipemetrie eintauchen und kugeln bepinseln 😉

  2. ok … omnipemetrie ist ein neologismus, aber ich will dir ja auch nur das gefühl geben, dass der käse hier gelsen wird 😉

  3. Trinke lieber nicht so viel, bevor Du hier Einträge machst, dann klappt es auch mit den Wortschöpfungen. 😉

  4. Erst durch den Tage verspäteten Einwand von Wedigo von Wedel ist mir klar geworden, dass wir das Doping im Breitensport in der Diskussion sehr vernachlässigt haben. Alles habe ich mir noch einmal Revue passieren lassen. Es ist tatsächlich so, dass wir uns auf die Sportarten beschränkt haben, wo Geld eine große Rolle spielt und entsprechend in großem Umfang gedopt wird.
    Die wirklich große Gefahr, die auf uns zu kommt, ist das unkontrollierte Doping im Breitensport sowie das Laiendoping. Schon in der Schule beginnen die Probleme mit dem Leistungsdruck. Durch geschickte Werbung versucht man dem unter Druck stehenden Schüler in Form von Slogans: XxY “ bringt verbrauchte Energie, sofort zurück“, oder KXL „verleiht Flügel“ und täuscht somit vor, dass man eine Leistungssteigerung erreichen kann, ohne dafür zu trainieren. Ich kann nur sagen: „Ohne Training geht absolut nichts voran!“ Auch die Substanzen, die man in Bodybuilding-Centren problemlos erhalten kann (Proteine in Kombination mit Anabolika) ist ohne gezieltes Training kein Muskelaufbau möglich. Grundsätzlich kann ich aus medizinischer Sicht von der Einnahme solcher Substanzen nur abraten. Die gesundheitlichen Folgen können schwerwiegend sein. Sie reichen von nicht reversiblen Nierenschäden mit Dialyse bis zum Herztod reichen. Hinzu kommen erhebliche sexuelle Störungen bei beiden Geschlechtern bis zur Unfruchtbarkeit.
    Was die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln betrifft, so sind diese absolut nicht notwendig. Der Nutzen dieser Mittel liegt beim Hersteller und dem Vertreiber. Bei alten und schwer kranken Menschen kann es Sinn machen, solche Substanzen zu substituieren, nicht aber beim Gesunden. Eine ausgewogene, gutbürgerliche Kost enthält alle wertvollen Substanzen, die wir zum Leben benötigen und reichen vollkommen aus, um Breitensport und Hochleistungssport zu betreiben. Eine Leistungssteigerung erreicht man nur durch gezieltes Training mit gezielten Trainingspausen zur Regeneration des Bewegungsapparates. Die Superkompensation erreicht man nicht durch die Zufuhr von irgendwelchen Substanzen, sondern durch harte Arbeit. Die Phase der Superkompensation kann man durch Dopingmittel im Breiten- und Hochleistungssport beschleunigen und man kann das Ergebnis der Superkompensation durch Manipulation des Sauerstofftransportes im Blut über längere Zeit als üblich auf höchstem Niveau halten. Und genau hier liegt die Gefahr des Dopings. Durch zu schnell ansteigenden Leistungszuwachs, durch zeitliche Erweiterung von Höchstleistung haben die bradytrophen Gewebe in unserem Körper nicht genügend Zeit, um sich anzupassen. Dadurch können irreparabel Schäden an Sehnen, Knorpeln, Bändern usw. entstehen, die man bis zum Lebensende mit sich führt. Nicht zuletzt kann das gesamte Kreislaufsystem mit seinen dazwischen geschalteten Organen auf Grund unzureichender Anpassung lebensbedrohliche Schäden erleiden. Das gilt sowohl für den Breiten- als auch für den Hochleistungssport.

    Dr. med. Franz Hoch

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